Vorbemerkung der Herausgeber

Wir betrachten die mit der 1. Ausgabe im Dezember 2006 begonnene Edition der Philosophischen Schriften von Peter Ruben als einen Beitrag zum Studium und der Ausbildung der Philosophie als Wissenschaft.
Uns verwundert aus heutiger Sicht kaum, daß Peter Ruben – damals Mitarbeiter am Zentralinstitut für Philosophie an der Akademie der Wissenschaften der DDR – im Mai 1981 aus der SED ausgeschlossen wurde. Der gegen ihn erhobene Vorwurf lautete auf Revisionismus, auf Abweichen vom Marxismus-Leninismus. Eine eigens zum Zwecke der Feststellung dieses Urteils ins Leben gerufene Kommission sprach die Unvereinbarkeit des Rubenschen Philosophierens mit der damals herrschenden Parteipolitik und -propaganda ganz unbekümmert dahin aus:

„1. P. Ruben verläßt in entscheidenden Fragen von politischer Relevanz den Boden des Marxismus-Leninismus. Grundzüge seiner theoretischen Überlegungen sind revisionistisch. Ihre praktischen Konsequenzen laufen den Grundlagen der Politik unserer Partei zuwider.

2. Theoretische Basis dessen ist, daß er in wichtigen Fragen der Philosophie auf Positionen fußt, die nicht mit dem Marxismus-Leninismus vereinbar sind, so in der Grundfrage der Philosophie, in der Widerspiegelungstheorie, in wesentlichen Momenten der Dialektik, insbesondere der Widerspruchsauffassung, im Verhältnis der Philosophie zu den Einzelwissenschaften und in seinen Auffassungen zur Geschichte und zur Ökonomie.“[1]

Verwundern kann aus heutiger Sicht vielleicht eher, daß dieses von der SED der DDR perhorreszierte Denken gerade in der DDR wuchs und ihr entstammte, – ja, in gewisser Weise als eines ihrer originären geistigen Produkte betrachtet werden kann. Es ist schon ein denkwürdiger, wenngleich kaum bemerkter Umstand, daß die "Partei der Arbeiterklasse" den systematischen Ansatz zu einer Philosophie der Arbeit, wie ihn einzig  Peter Ruben ausgebildet hat, als ein ihr abträgliches Unterfangen behandelt hat.

Zum besseren Verständnis der Differenzen, die zwischen Rubens marxistischem theoretischen Ansatz und dem landläufigen Marxismus-Leninismus bestanden – gewissermaßen als Einstimmung in die Lektüre der folgenden Texte – sei folgendes Resumé vorangestellt:

1. Nicht die Materie oder die Idee sind für Ruben axiomatischer Ausgangspunkt der Philosophie, sondern diese Stellung kommt der Arbeit zu, in der diese Gegensätze – zum Widerspruch vermittelt – Basis für die Selbstbestimmung und Selbstentwicklung der menschlichen Gattung sind. Diese Begründung des Materialismus, mit der Ruben in der Nachfolge der materialistischen Aufhebung der Hegelschen Philosophie durch Feuerbach und Marx steht, ist durchgängiger Grundzug seines philosophischen Ansatzes. Und dieser richtet sich – nolens volens – gegen die dogmatische Setzung des Materialismus durch die bloße Behauptung des Primats der Materie als Antwort auf die so genannte Grundfrage der Philosophie, deren Anerkennung zum offiziellen Kriterium marxistisch-leninistischer Rechtgläubigkeit avanciert war. Rubens Arbeitsbegriff, und all das, was sich aus seiner Explikation ergab, war daher Gegenstand der Attacke.

2. In vielen Arbeiten Rubens ist der Versuch einer materialistischen Rekonstruktion der ‚Wissenschaft der Logik’ Hegels unter den Bedingungen der zeitgenössischen Wissenschaften erkennbar, und zwar so, daß dazu die moderne Logik und Mathematik vorausgesetzt und in Anspruch genommen werden, auch die Logik natürlich, wie sie in der DDR-Philosophie von G. Klaus und H. Wessel vermittelt wurde, des weiteren die intensionale Logik, die Leibniz bearbeitete, Hegel unterstellte, worauf Gotthard Günther zuerst 1933 reagierte[2], und die Raili Kauppi in Anknüpfung an Leibniz fortsetzte – als ein schmales Rinnsal in der Entwicklung der modernen Logik präsent. Es ging Ruben – salopp gesprochen – von Anfang an darum, Hegel mit Frege zu verbinden. Rubens Ansatzpunkt war Hegels Schlußlehre, in der völlig unbestimmt geblieben war, wie sich in ihr Einzelnes, Besonderes und Allgemeines zueinander verhalten. Erst Frege hatte etwa zwei Generationen später mit der Begründung der Aussagenlogik, den in der deutschen Klassik noch geltenden Rahmen der Logik des Aristoteles transzendierend, die Möglichkeit hervorgebracht, die Operationen und Relationen zu bestimmen, mittels derer Hegels Schlussfigur E – B – A als ein logisch vielleicht lesbarer Satz erkennbar wird. Ruben fand es problematisch, daß Hegel uns keine Auskünfte über die Bedeutung der Striche zwischen den Zeichen E, B, A hinterlassen hatte.

3. Rubens Programm zielt - in dieser Hinsicht ähnlich wie das Husserls – auf Philosophie als strenge Wissenschaft. Wie Husserl setzt Ruben die Logik im oben skizzierten Sinne als ein Fundament der Philosophie voraus. Philosophie thematisiert das konkrete Allgemeine für sich genommen und konstituiert mit ihm den Gegenstand einer eigenständigen Wissenschaft. Philosophie ist daher rechtens nicht subjektiv-relative Weltanschauung, nicht doxa, (auch wenn Ruben, der DDR-Ideologie untertan, etwa von der „wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse“ spricht), sondern Weltanschauung ihrerseits hat Gegenstand philosophischer Analyse und Kritik zu sein.
Gegenstand philosophischer Analyse und Bestimmung sind für Ruben die allgemeinen Denkbestimmungen (Kategorien) und ihre Beziehungen zueinander, mittels derer jegliches Erkennen im Alltag und in den Wissenschaften operiert, ohne daß sie in diesen Bereichen thematisiert würden. Dabei unterstellt er mit seiner Prädikationstheorie die Gewißheit von der wenigstens im Denken gegebenen Existenz der Kategorien durch die quasi-axiomatische Voraussetzung, in den Sätzen der natürlichen Umgangssprachen mit ihrer Subjekt-Prädikat-Gliederung grammatische Kategorien zu kennen, eben die Subjekte und Prädikate. Sie sind ihm nicht als Wörter oder Termini der Satzbildung vorgegeben, sondern überhaupt nur durch Satzbildung als Satzglieder hervorgebracht. Wird generell nach ihrem Sinn (Inhalt) unter der Voraussetzung gefragt, daß die Satzbildung Sinnbildung ist, ist die Antwort notwendig ontologisch, und so wird Philosophie gesetzt. Des Parmenides’ Satz „Das Seiende ist“ als Ausdruck für die Existenz nichtempirischer (apriorischer) Wahrheit komplettiert diesen Ansatz zur subjektiven Gewißheit, daß die Philosophie Wissenschaft sui generis ist.
Obwohl alle Wissenschaften Begriffe wie die des Seins, der Wirklichkeit, der Möglichkeit, der Notwendigkeit, des Zufalls etc. voraussetzen, bleiben diese in ihnen undefiniert. Ruben sieht sich in dieser Hinsicht in der Tradition von Aristoteles und der klassischen deutschen Philosophie; und er reflektiert die mit dem Denkstil der modernen Naturwissenschaften seit Galilei erfolgte Substantivierung der Bewegung (gegenständliche Bewegung), die die für das antike philosophische Denken charakteristische Substantivierung der Gegenständlichkeit (bewegter Gegenstand) abgelöst hat, in Bezug auf die sich hieraus für das Kategoriengefüge der Philosophie ergebenden Konsequenzen.
Den Anstoß für seine Sicht der Philosophie als Kategorienlehre hat P. Ruben durch Klaus Zweiling, seinen Lehrer für dialektischen Materialismus, erhalten, der auf Hegels Logik fußend, dessen Kategorien dadurch materialistisch umzustülpen unternahm, daß er nicht von der Idee, sondern von der Wirklichkeit sprach, die durch die Kategorien von der Seite ihrer verschiedenen Aspekte zu bestimmen sei. Hatte Zweiling (mit Hegel) offensichtlich unterstellt, daß die Kategorien nicht nur Denkbestimmungen, sondern solche der objektiven Realität sind, so hält Ruben diese Voraussetzung für problematisch. Rubens Anerkennung der Autorität der empirischen Wissenschaften macht ihn skeptisch gegen die spekulative Naturphilosophie, sofern sie unkritisch die sinnlich-gegenständliche Existenz der Kategorien in der Wirklichkeit annimmt. Gibt es keinen Zweifel an der Realität der Kategorien im Denken, so führt doch die naive Annahme ihrer Realität in der Natur nicht selten zu puren Spekulationen, wenngleich auch auf diese Weise naturwissenschaftliche Fortschritte erreicht worden sind. Das darin in Erscheinung tretende Problem hält Ruben für ungelöst.
Auch mit dieser Bestimmung von Gegenstand und Aufgabe der Philosophie setzte sich Ruben dem herrschenden marxistisch-leninistischen Zeitgeist entgegen. Sein Bestehen auf der Autonomie der Philosophie wurde als Versuch beargwöhnt und denunziert, philosophische Zensur über fachwissenschaftliche Ergebnisse auszuüben. Nach den peinlichen Blamagen, die sich Repräsentanten des Systems in den 50er Jahren mit der Ablehnung beispielsweise von Relativitätstheorie und Kybernetik im Namen der marxistischen Philosophie eingehandelt hatten, neigten mit dem Verhältnis von Philosophie und Naturwissenschaften beschäftigte Philosophen (die sich später „Wissenschaftsphilosophen“ nannten) nun dazu, die Autonomie und erkenntniskritische Funktion der Philosophie aufzugeben. Stattdessen erblickten sie (unter Berufung auf das „Leninsche Bündnis mit den Naturwissenschaftlern“) ihre Aufgabe jetzt einzig in der sog. „Verallgemeinerung“ fachwissenschaftlicher Erkenntnisse, - d. h. man beeilte sich, diese positiv zu bestätigen, indem man ihre Bedeutung zur Bereicherung der marxistisch-leninistischen Weltanschauung zu explizieren suchte.
Dieser Tendenz fiel 1978 Rubens Artikel Physik und Naturdialektik zum Opfer, gegen dessen Publikation sich Herbert Hörz – prominentester Vertreter der so beschaffenen Wissenschaftsphilosophie – stellte.

4. Wenn Philosophie das konkrete Allgemeine für sich thematisiert, dann ist die Frage zu beantworten: Wie unterscheidet sich dieses Allgemeine von dem in Mathematik oder Logik thematisierten Allgemeinen? Mit dieser Frage, (die eine fachwissenschaftliche Ergebnisse verallgemeinern wollende „Wissenschaftsphilosophie“ sich hätte stellen und beantworten müssen, was sie jedoch nicht getan hat), sah sich Peter Ruben von Anfang seiner wissenschaftlichen Produktion an konfrontiert. In seiner Arbeit Der dialektische Widerspruch (1966) behandelte er dieses Problem vor dem Hintergrund damaliger Debatten mit dem Mathematiker W. Heitsch. Er unterstellt Hegels Unterscheidung des Abstrakt-Allgemeinen vom Konkret-Allgemeinen, aber begnügt sich nicht damit, diese viel gebrauchten Termini der marxistischen Dialektik-Diskussion in die Debatte zu werfen, sondern untersucht, worin die Spezifik der (mathematischen) Methode der Abstraktion besteht, und wie ihre Aufhebung zur Konkretion, die für ihn der Typ des Allgemeinen in der Philosophie ist, methodisch bewerkstelligt werden kann. Es ging Ruben in diesem Manuskript und in vielen späteren Arbeiten – auch im Rückgriff auf Kants diesbezügliche Unterscheidung – m. a. W. um das Verhältnis von Analytik und Dialektik, dessen Thematisierung im Vorfeld von Rubens Exkommunikation gleichfalls als „revisionistisch“ verdächtigt wurde.

5. Bis in die siebziger Jahre bestimmten die skizzierten Themenkomplexe und die Orientierung auf Logik, Mathematik und Physik vorrangig P. Rubens theoretisches Profil. Jedoch trat seit der ökonomischen Reformperiode in den 60er Jahren die Ökonomie in Rubens Blickfeld – via Mitarbeit an einer Operationsforschungsgruppe im Ley-Lehrstuhl des Berliner Philosophie-Instituts. Ein Gastsemester an der Universität Aarhus 1975/76 konfrontierte ihn mit Publikationen der sog. Kapitallogik und in diesem Zusammenhang mit Arbeiten zu den langen Wellen der Konjunktur (Helphand, Kondratieff, Schumpeter), die ihn faszinierten. Obendrein war bereits der Ökonom Hans Wagner anfangs der 70er Jahre mit der Bitte an ihn herangetreten, methodologisch an einem kollektiven ökonomieprojekt mitzuarbeiten. Er stieß auf offene Ohren. Der in Zusammenarbeit mit Hans Wagner geschriebene Artikel Sozialistische Wertform und dialektischer Widerspruch[3] war dann das Vehikel, den seit längerem virulenten Revisionismusverdacht in einen parteiöffentlichen politischen Vorwurf zu verwandeln und damit das Ausschlussverfahren gegen Ruben in Gang zu bringen.
Im Rahmen seiner seither permanenten Beschäftigung mit den Problemen der Ökonomie sei speziell P. Rubens Interesse am kategorialen Vergleich der Physik mit der Ökonomie, beide als messende Wissenschaften unterstellt, hervorgehoben. Sind es in der Physik (der technischen Mechanik) Länge, Dauer und Kraft, die in sie durch Grundmeßverfahren eingeführt werden, mit deren Hilfe die Wirkung als abgeleitete (definierte) physikalische Meßgröße bestimmt wird, so entspreche dem in der Ökonomie kategorial die folgende Konstellation: Die Grundgrößenarten sind die des Gebrauchswertes (von Ruben analog der physikalischen Länge nach Marx mittels der Gebrauchswertart des Transportweges eingeführt), die verschiedenen ökonomisch bestimmten Dauern (Umsatzdauer, Produktionsdauer, Arbeitszeit etc.) und die Arbeitskraft. Der Wirkung analog aber sei hier die abgeleitete (definierte) Meßgröße des Wertes, realisiert durch das Geld. Der Sinn dieses Unternehmens besteht – wenn wir das richtig verstanden haben, - in dem Bemühen, durch Bestimmung der ihr eigentümlichen Grundgrößenarten und deren Verhältnis zueinander die Ökonomie auf eigener Grundlage als messende Wissenschaft zu konstituieren, d. h. sie auf ein ebenso sicheres Fundament zu stellen, wie es die Mechanik ihrerseits besitzt. Die für den Leser mitunter wissenschaftlich recht anspruchsvollen Texte zu diesem Problem sind auch als Bestandteil in Rubens Manuskripte ad Schumpeter eingegangen.
Der in dieser Edition demnächst zu publizierende umfangreiche Schumpeter-Text ist alles in allem der unfertige Entwurf eines Buches zur marxistischen Auseinandersetzung mit Schumpeters Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, an der Ruben nach seinem Parteiausschluß und seiner Versetzung in den Bereich Historischer Materialismus per Planbeschluß gearbeitet hat, ohne indes zu hoffen, unter den gegebenen Bedingungen diesen Text publizieren zu können, weshalb er auch keine Rücksicht mehr auf die herrschende Ideologie zu nehmen hatte.[4]

6. Im Kontext von Rubens ökonomischen Reflexionen ist auf seine an Ferdinand Tönnies anknüpfende Unterscheidung von Gemeinschaft und Gesellschaft hinzuweisen, die er zunächst als Erkenntnismittel beim Nachdenken über die Beschaffenheit der kommunistischen Formation in den 80er Jahren aufgegriffen hatte. Diese Begriffe erwiesen sich – verbunden mit den ökonomischen Kategorien der Produktion und des Austausches – als tragfähig, allgemeine gesellschaftstheoretische Einsichten zu gewinnen. Nach Tönnies sind Gemeinschaft und Gesellschaft Verbindungsarten zwischen Menschen. Diese Sicht übernimmt Ruben, wobei er auf den operativen Sinn des Wortes Verbindung verweist, den Tönnies wohl avisiert, wenn auch nicht expliziert. In der Gemeinschaft sind die einzelnen Menschen als Individuen, als Teil eines jeweils Ganzen existent (ist ihre Verbindungsart die „Vereinung“, deren Resultat im Deutschen Verein heißt, lateinisch Union). In und mittels der Gemeinschaft produzieren ihre Individuen. Von Gesellschaft hingegen ist ganz klassisch zu sprechen, wenn die einzelnen Menschen als freie Personen sich durch Verträge assoziieren oder auch verschiedene Gemeinschaften (z. B. Stämme, Poleis, Stadtgemeinden, Nationen) in wechselseitigen Austausch miteinander treten (diese Verbindungsart ist die Vereinigung oder Assoziation). Die Erfahrung des europäischen Kommunismus im 20. Jahrhundert, die Ruben als Erfahrung des Versuchs, die Gesellschaft zu vernichten versteht, hat ihn dazu geführt, Tönnies' Grundbestimmungen als Determination eines unaufhebbaren Dualismus zu verstehen, so dass Gesellschaft und Gemeinschaft stets gemeinsam existieren, im historischen Wandel zwar gegeneinander proklamiert werden können, nie aber als gegeneinander exklusive Gegensätze wirklich realisierbar sind.
Sind diese Voraussetzungen richtig, läuft die Abschaffung des Austausches, des Handels, des Geldes – gegenwärtig als Kampf gegen die „warenförmige Gesellschaft“ proklamiert – zugleich auf Abschaffung der Gesellschaftlichkeit (Sozialität) hinaus, was bestenfalls eine rohkommunistische Utopie (Vorstellung einer Zuteilungsgemeinschaft) realisiert, aber – wie wir in der DDR erlebt haben – ein Vorgang ist, geeignet, die solche Beseitigung betreibenden Gemeinschaften ökonomisch und zivilisatorisch in den Ruin zu führen.
Mit diesen Überlegungen zum Verhältnis von Gemeinschaft und Gesellschaft, Produktion und Austausch, – seit den 80er Jahren zunehmend Rubens Denken dominierend – ist ihm die bis dahin mit Marx geteilte Vorstellung vom Gegensatz zwischen Eigentümern und Arbeitern, von der eigentumslosen Arbeiterklasse, die durch die politische Revolution die Herstellung des Gemeineigentums und damit die Selbstaufhebung ihrer und jeglicher Klassenexistenz betreibe und so die soziale Frage löse, als romantische Illusion fragwürdig geworden. Der Begriff der Dialektik, den Ruben philosophiehistorisch und genetisch natürlich nach wie vor mit völligem Recht an die Theorie der Arbeit bindet, setzt heute für ihn einen reicheren Begriff der Arbeit voraus. Er wird mit Marx nicht länger als Produktion für sich unter Entgegensetzung zum Austausch gedacht, sondern als realisierte Produktion erst in der Einheit mit ihm aufgefaßt. Ferner gilt für das Verhältnis von Eigentum und Arbeit, daß das Gemeineigentum, sofern es ins Verhältnis zu anderem Gemein- (oder Privat-) eigentum tritt, in diesem immer zugleich auch Sonder- oder Privateigentum ist, (was die Mitglieder des RGW empirisch-praktisch sehr wohl erfahren haben). Und schließlich ist die Einheit von Arbeit und Eigentum so zu denken, daß die spezifische Arbeit auch des Eigentümers begriffen wird, ohne die wirtschaftliche Evolution nicht verstanden werden kann.

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Wir betrachten die mit der Ausgabe vom Dezember 2006 begonnene Edition der Philosophischen Schriften als ein Unternehmen, das auf eine möglichst umfassende Ausgabe der philosophischen Arbeiten von Peter Ruben zielt. Auch angesichts der freundlichen Förderung des Projektstartes durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung im Jahres 2006 kann die Edition insgesamt nur als work in progress realisiert werden und erst in der Folge ihrer erweiterten Ausgaben zu dem Corpus reifen, den wir für den philosophisch interessierten Leser insgesamt im Blick haben.
Die gegenwärtige Ausgabe enthält neben vielen bisher unpublizierten bzw. nicht in deutscher Sprache veröffentlichten Arbeiten auch Aufsätze, die wir hier mit freundlichen Unterstützung und Erlaubnis von ehemals beteiligten Verlagen vorstellen können. Deshalb danken wir an dieser Stelle dem Karl Dietz Verlag (Berlin), dem Verlag Königshausen & Neumann GmbH (Würzburg), dem Metropolis-Verlag (Marburg) und der Zeitschrift Berliner Debatte Initial für die entsprechenden Publikationsgenehmigungen.
Bruno Hartmann (Berlin) hat in der Frühphase der Editionsarbeiten als Mitherausgeber gewirkt und wichtige Beiträge erarbeitet. Leider ist er seit dem August 2005 so schwer erkrankt, daß uns nur der Weg bleibt, seine Mitwirkung hier öffentlich zu würdigen.

Berlin, im Dezember 2008                  Camilla Warnke ·  Ulrich Hedtke

Nachtrag

Camilla Warnke hat den Ausschluß von Peter Rubens Philosophiekonzept aus der DDR-Philosophie 1980/1981 in Ihrem Aufsatz Nicht mit dem Marxismus-Leninismus vereinbar! näher dargestellt. Sie finden diesen Aufsatz hier unter Kritik, Rezension und weiteres.
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[1] Gefesselter Widerspruch. Die Affäre um Peter Ruben, hg. von H.-C. Rauh, Berlin 1991, S. 169. In dieser Publikation hat H.-C. Rauh auf Bitte des im Februar 1990 gewählten Wissenschaftlichen Rats des Zentralinstituts für Philosophie die wichtigsten Rubens Parteiausschluss betreffenden Dokumente vorgestellt. Sie ist als Lektüre zum umfassenderen Verständnis der Umstände dieses Ausschlusses und folglich als Voraussetzung der von uns herausgegebenen Manuskripte zu empfehlen.
[2] G. Günther: Grundzüge einer neuen Theorie des Denkens in Hegels Logik. Leipzig: Meiner 1933; 2. Aufl. Hamburg: Meiner 1978. R. Kauppi: Über die Leibnizsche Logik mit besonderer Berücksichtigung des Problems der Intension und Extension. Helsinki 1960. Dies.: Einführung in die Theorie der Begriffssysteme. Tampere 1967
[3] Peter Ruben/Hans Wagner: Sozialistische Wertform und dialektischer Widerspruch, in: DZfPh, H. 10, 1980
[4] Der Entwurf ist auch deshalb unfertig geblieben, weil Ruben zur Zeit der Manuskriptabfassung noch keinen Weg sah, analytisch streng zwischen dem Tauschwert und dem Wert zu unterscheiden. Seine spätere Lösung des Problems findet man in seinem Beitrag Was bleibt von Marx' ökonomischer Theorie? In: Die ökonomische Theorie von Marx – was bleibt? Hg. v. C. Warnke u. G. Huber. Marburg: Metropolis-Vlg. 1998. S. 13–6